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Das Dorf


Neve Shalom / Wahat al-Salam (NSWAS) ist eine 1972 gegründete Dorfkooperative, in der jüdische und palästinensische Bürge: innen Israels miteinander leben. Sie liegt auf einem kleinen Hügel im israelischen Kernland in der Mitte zwischen Jerusalem, Tel Aviv und Ramallah: Im zwei- sprachigen Dorf teilen sich israelische Bürgerinnen und Bürger mit jüdischer, christlicher und muslimischer Religionszugehörigkeit Land, Macht, Verantwortung, Schule und Alltag in gegenseitigem Respekt. 

Das Dorf

Mitten in einer Welt der Gewalt und des Terrors wohnen in diesem Dorf israelische Bürgerinnen und Bürger mit jüdischer, christlicher und muslimischer Religionszugehörigkeit, wozu auch palästinensische Israelis gehören. Neve Shalom / Wahat al-Salam heisst auf hebräisch bzw. arabisch "Oase des Friedens" und steht für das Dorf des Friedens, in dem sich die Bewohner Land, Macht, Alltag und Administration teilen. Sie zeigen damit den Regierungen im Nahen Osten täglich, dass ein friedliches Zusammenleben möglich und erstrebenswert ist.

Neve Shalom / Wahat al-Salam setzt diese Idee in verschiedenen Bereichen in praktische Arbeit um:

  • im Kindergarten und der in der Primarschule, die zweisprachig und tri-religiös für jüdische und palästinensische Kinder aus dem Dorf und den umliegenden Gemeinden geführt werden.
  • in der Friedensschule, wo junge Erwachsene aus allen Teilen des Landes nach eigenen international anerkannten Methoden eine Ausbildung in Konfliktmanagment erhalten.
  • im Pluralistischen, spirituellen Zentrum, dass einen Rahmen für das Zusammentreffen der Kulturen, für Studium und Reflexion bildet und mit der Doumia Sakina einen Ort zum Nachdenken und Beten anbietet.
  • Oasis Art Galerie verbindet Künstler und Besucher über Sprache, Kultur und Geografie hinweg.
  • im Nadi, dem Young Leadership Programm, dass den Kindern aus dem Dorf das Zusammensein ausserhalb der Schule ermöglicht.Besonders Kinder und Jugendliche, die weiterführende Schulen ausserhalb des Dorfes besuchen, nutzen die Möglichkeit, Ihre Kontakte aus der Schulzeit im Dorf weiter zu vertiefen.

Weitere Informationen finden Sie unter "Friedensarbeit"


Besucherprogramme

Neve Shalom Wahat al-Salam hat verschiedene Besucher- und Reiseprogramme entwickelt. Neben Einführungen und Workshops zum israelisch- palästinensischen Konflikt (ungleiche Machtverhältnisse, Ausgrenzung der nichtjüdischen Bevölkerung in Israel, illegale Besatzung, Anschläge von israelischen und palästinensischen Extremisten etc.) werden auch Reisen in die sensiblen Gebiete organisiert. Kontaktieren Sie uns oder direkt das Visitor Center mit Email an info@nswas.info.


Das Gästehaus

Zentral und landschaftlich wunderschön gelegen, bietet sich unser Gästehaus als attraktivies Quartier für Reisen durch Israel, den Besuch des Dorfes und die Teilnahme an Programmen für Besuchergruppen an. Die Bungalows sind geschmackvoll eingerichtet; sie verfügen über eine Klimaanlage, einen eigenen Balkon und einen sepraraten Eingang. Zur Erholung steht im Sommer ein Freibad zur Verfügung.


Die Entstehung des Dorfes

«Der eher unscheinbare Hügel war bedeckt von Felsen, Steinen, Dornengestrüpp und von Stacheldrahtresten aus dem Junikrieg von 1967. Eine Quelle gab es nicht. Einziges herausragendes Merkmal des Hügels war ein unbemannter Wachturm, der Nahostgeschichte sichtbar machte: In den Hügeln um das Trappistenkloster Latrun, dort, wo das Ayalon/OmSarara-Tal in die judäischen Berge übergeht, war 1948/49, und 1967 noch einmal, erbittert um die Kontrolle der Straße nach Jerusalem gekämpft worden. ( … ) Bis zum 06. Juni (1967) hatten sich hier an der befestigten Grenze israelische und jordanische Truppen gegenüber gelegen. Nach dem Junikrieg waren die Grenzbefestigungen weitgehend niedergerissen worden. Der Wachturm stand leer. Die israelische Armee bedurfte seiner nicht mehr, denn das Westjordanland, 1950 von Jordanien annektiert, war zu israelisch besetztem Gebiet geworden.»1 So sah das Umfeld des Projektes Neve Shalom aus, als 1970 ein kleines Häuflein Gleichgesinnter um Bruno Hussar ein paar Zelte und einen ausgedienten Bus auf den Hügel stellte.


Sie waren sich dessen bewusst, dass ihr Projekt Friedensoase seine Chance zwischen den Fronten suchte, am Rande des Niemandslandes zwischen der 1967 vereinbarten israelischen und jordanischen Waffenstillstandslinie bzw. mitten im Konflikt zwischen (jüdischen) Israelis und (palästinensischen) Arabern.


Erst nach einigen Jahren fand das Projekt eine Resonanz in Israel selbst: 1977 fand das erste jüdisch-palästinensische Sommerlager auf dem Hügel statt und 1978 zogen die ersten beiden israelischen Familien auf den Hügel. Neve Shalom hatte neben seiner geistigen endlich auch eine personelle Ausgangsbasis erhalten.


Diese Frage ist mit einem klaren «Ja» zu beantworten. 

Inwiefern? Fangen wir ganz klein an und betrachten das Dorf als Gemeinschaft. Es gibt eine lange Warteliste von Familien, die ganz bewusst und gerne auf den Hügel ziehen wollen; einige Familien haben bis zu elf Jahre warten müssen, bis von den Behörden endlich die notwendigen Genehmigungen für den Bau ihrer Häuser vorlagen und ihr Zuhause fertiggestellt werden konnte. Wird jemand irgendwo, z. B. am Arbeitsplatz oder in der Schule gefragt, wo er wohnt und sagt «in Neve Shalom ∙ Wahat al-Salam», so ist das Dorf meist sofort in der ganzen anwesenden Gruppe Diskussionsthema – so die übereinstimmende Erfahrung der jungen Generation an den weiterführenden Schulen.


Daneben belegen zahlreiche Einzelereignisse, dass Neve Shalom ∙ Wahat al-Salam bereits in den 1980er-Jahren sowohl in Israel als auch international Aufmerksamkeit und Anerkennung zu erhalten begann. Hier eine Auswahl:

Zwischen 1975 und 2023 wurden insgesamt zehn Freundeskreise von NSWAS gegründet, in chronologischer Reihenfolge: in Deutschland, Frankreich, der Schweiz, den USA und Großbritannien, in Schweden, Italien, den Niederlanden, Österreich und Norwegen.


Zusammen mit dem Dorf als Gemeinschaft entfalteten auch die Bildungseinrichtungen des Dorfes zunehmend Wirkung nach außen. Die Primary School (PS) begann 1984 mit 11 Kindern aus dem Dorf in einer Hütte. Im Herbst 1990 besuchten erstmals Kinder von außerhalb die Grundschule.

Die School for Peace (SFP) begann 1979 ohne Gebäude mit ein paar jüdisch-arabischen Sommerlagern. 1984 begann ein mehrjähriges Aktionsforschungsprojekt zur Konzeption der jüdisch-arabischen Jugendbegegnungen der SFP in Zusammenarbeit mit dem Israel Institute of Applied Social Research und die SFP erhielt ein eigenes Gebäude.


Im Oktober 1990 begann der erste Universitätskurs der SFP an der Universität Tel Aviv; inzwischen gibt es solche Kurse ebenfalls an den Universitäten Haifa, Beer Sheva und der Hebräischen Universität Jerusalem sowie an weiteren Hochschulen; daran haben bis 2023 über 1.000 Studierende teilgenommen. 2005 führte die SFP den ersten »change agents»-Kurs für jüdische und palästinensische Journalisten durch. Dank eines großen Zuschusses durch die Stiftung USAID konnte sie diesen Langzeitkurs-Typ für Multiplikatoren weiterentwickeln, sodass von 2007 bis 2012 bereits zehn solche Kurse für Fachleute aus dem Bereich psychische Gesundheit, für Politiker:innen und Lehrer:innen und für weitere Berufsgruppen stattgefunden hatten, an denen  ca. 2.500   Multiplikator:innen teilnahmen. Diese «change agents»-Kurse werden ebenso wie die Ausbildung zum Kursleiter für Konfliktgruppen – mit bis 2023 etwa 1.200  Teilnehmer:innen – weiter fortgesetzt (siehe Kapitel 2: School for Peace). Damit haben bis 2023 etwa 80.000 Teilnehmer:innen Kurse der SFP durchlaufen, darunter ca. 30.000 Jugendliche.


Mit drei von der EU geförderten 12-monatigen «change agents»-Kursen für «Up-and-coming politicians» überwand die SFP in Zusammenarbeit mit der palästinensischen Organisation Inmaa (Westbank) 2016 – 2018 die Barrieren zwischen Israel und den palästinensischen Gebieten. Hier wurde konkreter politischer Wandel sichtbar und wirksam.


Doch damit nicht genug: Praktisch alle Absolventen der Langzeitkurse initiieren nach Abschluss ihrer Kurse in ihrem beruflichen Umfeld gezielt Graswurzel-Projekte. Sie haben verschiedene Netzwerke eingerichtet, in denen sie ihre Zusammenarbeit koordinieren (Foren) und sie haben etliche öffentliche politische Protest-Aktionen zu Themen wie Bombardierung des Gazastreifens, diskriminierende Städteplanung, Häuserzerstörungen in arabischen Ortschaften oder Siedlergewalt durchgeführt. 



Bruno Hussar

Bruno Hussar, als Jude in Ägypten aufgewachsen und während seines Studiums in Frankreich nicht nur Ingenieur, sondern auch Christ und Mönch geworden, wurde von seinen Ordensoberen nach Jerusalem gesandt, um dort ein Zentrum für Studien des Judentums zu errichten. Er ging, und nachdem die Gründung des Hauses Jesaja als Studienzentrum abgeschlossen war, begann Pater Bruno zu träumen und zwar von einem Ort des Friedens.


Den Ort fand der Dominikaner Bruno nach langem Suchen und intensiven Verhandlungen mit dem Trappistenkloster Latroun, dessen Abt ihm im entmilitarisierten Niemandsland an der Waffenstillstandslinie von 1967 zwischen Israel und Jordanien 40 Hektar für eine symbolische Pacht zur Verfügung stellte. Junge Leute aus allen möglichen Ländern, die von einem alternativen Leben träumten, kamen auf den kahlen Hügel und versuchten dort ohne Schatten spendende Bäume und ohne eine Wasser gebende Quelle einige Zeit auszukommen. Juden und Araber, die sich schon vorher in Jerusalem getroffen hatten, nahmen an Workshops teil. Aber zur Verwirklichung der Träume brauchte es Realisten, die die Sache praktisch in die Hand nahmen.