Jahresversammlung 2020 - Jahresbericht 2019 des Präsidenten
Sehr geehrte Mitglieder unseres Vereins, liebe Freundinnen und Freunde
Corona verhindert, dass wir dieses Jahr unsere Jahresversammlung abhalten können. Das hat zur Folge, dass wir Ihnen keine ‘Live-Berichte’ aus Israel bieten und dass wir unser Geschäftsjahr 2019 nicht ordnungsgemäss abschliessen können. Ich schlage Ihnen daher vor, dass ich Ihnen den Bericht des Präsidenten und den finanziellen Jahresbericht auf unserer Website zugänglich mache und dass wir im nächsten Jahr die Jahresversammlung bitten, den Vorstand für die Geschäfte der Jahre 2019 und 2020 zu entlasten. Ich hoffe Sie sind damit einverstanden.
In der Tat: Wir hätten genug zu berichten gehabt, waren doch die vergangenen zwölf bis fünfzehn Monate wiederum stark geprägt vom Konflikt in Israel und Palästina:
- Der endlich veröffentlichte, gegen das Völkerrecht verstossende «Friedensplan» der Herren Trump und Kushner (Landraub im Westjordanland, Zerschneidung der besetzten Gebiete), der auf einhellige Ablehnung nicht nur durch die Palästinenser, sondern in der gesamten arabischen Welt stiess, mit Gewaltausbrüchen als Folge.
- Die anhaltende Zerstrittenheit der Palästinenser unter sich - Hamas und Fatah noch immer spinnefeind
- Die Raketenangriffe der Hamas aus Gaza heraus mit kurz darauffolgendem Waffenstillstand
- Die Zerstörung von zehn palästinensischen Wohnhäusern in Ostjerusalem durch Israel im Juli des Berichtsjahres
- Die wiederholten Ankündigungen einer völkerrechtswidrigen Teil-Annexion des Westjordanlandes durch Israel mit der Unterstützung der USA
- Wahlen dreimal innerhalb eines Jahres mit jeweils unklarem Ausgang, mittendrin ein wegen Korruption angeklagter Ministerpräsident
Immerhin hat sich das amerikanische Repräsentantenhaus im Dezember 2019 in einer Resolution hinter die Zwei-Staatenlösung, und damit gegen Netanyahu und Trump gestellt.
Der Historiker und Ben Gurion-Biograph Tom Segev meinte kürzlich, das Leben in Israel sei besser als in den meisten anderen Ländern, doch der Preis dafür sei ‘kein Leben im Frieden’...
Natürlich prägt diese Entwicklung auch das Leben im Dorf Neve Shalom Wahat al-Salam und insbesondere die Aktivitäten der friedenspädagogischen Institutionen. Doch stellen wir mit Genugtuung fest, dass das Bedürfnis nach Kommunikation, ja Ko-Existenz auf der jüdischen wie auch auf der palästinensischen Seite vorhanden ist. Das zeigt sich in der Verdoppelung der Schülerzahl der Primarschulklassen innerhalb der letzten fünf Jahre auf 303 Kinder Ende 2019. Diese kommen aus zwanzig umliegenden Gemeinden und werden durch zweiundzwanzig permanente Lehrkräfte unterrichtet. Die Qualität der Schule anerkennen das Erziehungsministerium und die regionalen Behörden durch verschiedene Auszeichnungen (z.B. ‘National Education Award Candidate’) und Unterstützungsleistungen wie Übernahme von Transportkosten für Kinder. Das Schulbudget betrug US$ 1,227 Mio., wir sind stolz, dazu einen kräftigen Unterstützungsbeitrag geleistet zu haben.
Die 1979 gegründete Friedensschule hat seit Bestehen über 75'000 Absolventen durch verschiedene Prozesse begleitet und zu Brückenbauern ausgebildet. Das Institut hat sich in den letzten Jahren vermehrt auf ausgesuchte Zielgruppen konzentriert, so gibt es Kurse für führende Beamte in gemischten Städten (‘Mixed Cities’), für Architekten und Städteplaner, Menschenrechtsanwälte, Psychologen und Psychiater und weitere Berufsgruppen mit Kontakten zu beiden Bevölkerungsteilen. An den Kursen nehmen jeweils gleich viele jüdische wie palästinensische Absolventen teil.
Die Leitung der Friedensschule setzt sich aus fünf ausgebildeten Spezialistinnen und Spezialisten und einem Koordinator zusammen. Die Kurse werden im Dorf aber auch auswärts, ja gar im nahen Ausland (z.B. in Amman, Jordanien) durchgeführt.
Im Pluralistic Community Center (Kulturzentrum) wurde ein Kinoclub mit Filmbesprechungen - zum Teil in Anwesenheit der Regisseure - eröffnet, Buchlesungen wurden durchgeführt, religiöse jüdische, moslemische und christliche Feiertage wurden gemeinsam begangen, an Konzerten und Aufführungen konnten Interessierte aus dem Dorf und der Umgebung teilnehmen.
Der Jugendclub Nadi steht unter neuer Leitung und hat zwei Gruppen: Viert- bis Achtklässler und Neunt- bis Zwölftklässler. Neu ist der Club auch Kindern von ausserhalb des Dorfes zugänglich, vor allem ehemaligen Absolventen der Primarschule. Neben der jüdischen Leitung soll es neu auch ein palästinensisches Pendant geben.
Der Gesamtaufwand der Amutah im Jahr 2019, also die pädagogischen Einrichtungen mit der Schule, der Friedensschule, dem Kulturzentrum und dem Jugendclub Nadi betrug knapp USD $ 2,3 Millionen. Dieser wurde durch Staats- und Elternbeiträge, diversen direkten Spenden und Legaten und durch die Spenden der Freundesorganisationen in aller Welt gedeckt.
Übrigens hat diese Amutah im November letzten Jahres ihren Vorstand kräftig erneuert. Dort findet nun ein erster spürbarer Generationenwechsel statt. Die Leitung hat Fatin Abdulhalim, eine Bewohnerin des Dorfes und Lehrerin an der Primarschule, übernommen. Die Leute sind dabei, sich einzuarbeiten.
Von unserem Verein hat die Amutah in Israel 2019 CHF 300'000 erhalten. Dies sind 13,1 % des Gesamtbudgets. CHF 234'000 waren für die Primarschule und die Friedensschule bestimmt. Der Rest ging an das Nadi, das Kulturzentrum und an «Communication and Development». Wir gehören zu den wichtigen finanziellen Stützen. Ihnen, den Spendern gilt unser herzlicher Dank dafür!
Wir selbst, also die Schweizer Freundinnen und Freunde haben im vergangenen Jahr verschiedene Aktivitäten durchgeführt. Neben Nava Sonnenschein, der Leiterin der Friedensschule, die an der Jahresversammlung am 26. Mai 2019 im Haus der Religionen in Bern aus ihrem Buch ‘Vom Opfer zum Partner’ las, durften wir dort auch den Palästinenser Rayek Rizek aus dem Dorf vorstellen. Er präsentierte sein Buch ‘Der Ameisenbär und der Jaguar’, in dem er die Rolle seiner Landsleute kritisch hinterfragt und von diesen mehr Selbstbewusstsein und Eigeninitiative fordert.
Dazu kamen verschiedene Vorträge in der Nordwestschweiz, im Raum Bern und in Zürich mit Evi Guggenheim und Samah Salaime. Weitere Vorträge gab es in der Ostschweiz und im Raum Basel.
Dazu durften wir ein Benefizgottesdienst mit dem ‘Mechaje-Ensemble’ aus Bottmingen geniessen, dessen Erlös unserer Kasse zugutekam.
Schliesslich fand eine weitere Israel- und Palästinareise mit fünfzehn Teilnehmern statt. Wir besuchten wiederum nicht anerkannte Dörfer in der Negev, badeten im Toten Meer, tourten durch Ostjerusalem, besuchten die Universität, das Flüchtlingslager und die Christi-Geburts-kirche von Bethlehem sowie weitere interessante Lokalitäten mit Bezug zu Geschichte und zur manchmal schwer erträglichen Gegenwart.
Vom 6. Bis am 9. November 2019 fand in NSWAS das internationale Annual General Meeting (IAGM) statt. Gut 20 Teilnehmer aus Europa und USA liessen sich über die neuesten Entwicklungen im Dorf, die friedenspädagogischen Institutionen und über die Aktivitäten anderer Freundeskreise informieren. Von unserem Vorstand nahmen Monique Eckmann
und Gabriel Oser teil.
Im Berichtsjahr durften wir insgesamt Fr. 360'279.27 an Mitgliederbeiträgen, Spenden, Legaten etc. entgegennehmen. Dies ist eine Zunahme um ca. 45'000 Franken gegenüber dem Vorjahr. Das Ergebnis ist bemerkenswert.
Aus unserem Vorstand gibt es eine Mutation zu vermelden: Frau Yvonne Christoph-Wyler ist ausgetreten. Yvonne hat in Israel eigene Projekte, mit denen sie sich für die Gleichberechtigung von Menschen in gemischten Städten in Israel einsetzt und sie möchte ihre ganze Kraft nun allein darauf konzentrieren. Wir danken Yvonne für ihre stets wertvolle Mitarbeit.
Ich hoffe sehr, Ihnen bei an der nächsten Jahresversammlung ein neues Mitglied vorstellen zu können.
Schliesslich beklagen wir schmerzhaft das Ableben unseres Revisors und aktiven Mitdenkers Werner Rom. Werner verstarb Ende September überraschend. Sein Tod ist ein herber Verlust für die Schweizer Freunde. Ich bitte Sie alle, einen Moment innezuhalten und Werner zu gedenken.
Erfreulicherweise hat sich Herr René Caraco, langjähriges Mitglied aus Basel, bereit erklärt, fortan die Revision unserer Jahresrechnung zu übernehmen. Bis heute konnte er allerdings seines Amtes noch nicht walten, wegen der Coronakrise war eine Besprechung im Behindertenheim in Reinach noch nicht möglich.
Ich danke Ihnen für Ihre anhaltende ideelle und finanzielle Unterstützung. Diese ist wichtig, gerade auch jetzt in dieser nicht einfachen «Coronazeit
». Der Betrieb läuft - wenn auch etwas anders als üblich - weiter!
Gabriel Oser
Biel-Benken, Ende April 2020
Jahresbericht 2019 als PDF
Bilanz-Erfolgsrechnung 2019 als PDF